Beschluss vom 09.07.2025 -
BVerwG 8 B 32.24ECLI:DE:BVerwG:2025:090725B8B32.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 09.07.2025 - 8 B 32.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:090725B8B32.24.0]
Beschluss
BVerwG 8 B 32.24
- OVG Bautzen - 29.04.2024 - AZ: 7 C 52/21.F
In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 9. Juli 2025 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller und Dr. Naumann beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. April 2024 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Der Kläger wendet sich gegen die Beauftragung eines Sachverständigen mit der Wertermittlung in einem Bodenordnungsverfahren. Das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen. Die Beauftragung des Sachverständigen sei eine wegen § 44a VwGO nicht isoliert angreifbare Verfahrenshandlung. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
2 Die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers, die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützt ist, hat keinen Erfolg.
3 1. Die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO werden teilweise schon nicht im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.
4 Die Rüge des Klägers, er sei seinem gesetzlichen Richter entzogen worden, weil sein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter zu Unrecht abgelehnt worden sei, greift nicht durch. Die Ablehnung eines Befangenheitsantrags durch die Vorinstanz stellt in der Regel eine unanfechtbare Vorentscheidung (§ 146 Abs. 2 VwGO) dar, die gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 557 Abs. 2 ZPO nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt, so dass die Zurückweisung eines Befangenheitsantrags grundsätzlich auch nicht als Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemacht werden kann. Die Rüge der unrichtigen Ablehnung eines Befangenheitsantrags ist deshalb nur ausnahmsweise in dem Maße beachtlich, als mit ihr die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 138 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht wird. Das ist jedoch nur dann der Fall, wenn die Ablehnungsentscheidung auf Willkür oder einem vergleichbar schweren Mangel des Verfahrens beruht, der in der Sache die Rüge einer nicht vorschriftsgemäßen Besetzung des Gerichts rechtfertigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 2020 - 8 B 50.20 - ZOV 2020, 179). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat den Befangenheitsantrag des Klägers, nach Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden, ohne dessen Mitwirkung abgelehnt. Es hat sich dabei mit den vom Kläger aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Handhabung des Akteneinsichtsrechts durch den abgelehnten Richter in einem früheren Verfahren sowie dessen Rolle bei der Gewährung von Akteneinsicht am Verwaltungsgericht Dresden in seiner damaligen Funktion als Vizepräsident des Gerichts, beschäftigt und nachvollziehbar begründet, warum hieraus keine Besorgnis der Befangenheit im vorliegenden Verfahren herzuleiten ist. Umstände, die auf Willkür schließen ließen, sind nicht dargetan. Der Kläger wiederholt insofern lediglich seine Rügen aus dem Befangenheitsgesuch, ohne deutlich zu machen, inwieweit die Ablehnung des Befangenheitsantrags in dem genannten Maße fehlerhaft gewesen sei. Sein Vortrag, der Vorsitzende müsse ein persönliches Interesse an dem Ausgang des Verfahrens gehabt haben und sei nicht ausreichend vorbereitet gewesen, bleibt völlig unsubstantiiert.
5 Dass der zunächst für die mündliche Verhandlung geladene ehrenamtliche Richter R. durch den ehrenamtlichen Richter K. ersetzt wurde, führt ebenso wenig zu einer fehlerhaften Besetzung des Gerichts. Der ehrenamtliche Richter R. hatte unmittelbar nach Erhalt der Ladung seine gesundheitsbedingte Verhinderung erklärt, daraufhin war der ehrenamtliche Richter K. geladen worden. Hiergegen ist nichts zu erinnern.
6 Die weitere Rüge des Klägers, ihm hätte Akteneinsicht in ungeschwärzte Aktenbestandteile aus einem anderen Verfahren des Klägers gewährt werden müssen, begründet keinen Verfahrensmangel. § 100 VwGO gibt den Beteiligten das Recht auf Akteneinsicht - nur - in die im gerichtlichen Verfahren selbst beigezogenen Verwaltungsvorgänge (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 3. August 2021 - 9 B 48.20 - juris Rn. 35 ff.). Das sind allein die Akten, die dem Gericht in der konkreten Streitsache vorliegen (vgl. Rudisile, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2024, § 100 VwGO Rn. 6). Eine Aufklärungsrüge wegen Unterlassens der Beiziehung der Akten des anderen Verfahrens hat der Kläger nicht erhoben. Sie hätte auch keinen Erfolg haben können, weil es nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts wegen § 44a VwGO keinen Anlass zur Beiziehung weiterer Unterlagen gab. Ausweislich Seite 4 der Sitzungsniederschrift wurde der Akteneinsichtsantrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung erörtert, so dass die diesbezügliche Gehörsrüge ebenfalls ins Leere geht.
7 Die Verpflichtung des Gerichts, im Ausgangsverfahren vollständige Verwaltungsvorgänge anzufordern und dem Kläger Akteneinsicht in diese Beiakten zu gewähren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. August 2021 - 9 B 48.20 - juris LS 3 und Rn. 34 ff.), ist nicht Gegenstand des vorliegenden, auf die isolierte Anfechtung der Sachverständigenbestellung beschränkten Verfahrens.
8 Die Beschlüsse betreffend die Ablehnung der Verbindung des Verfahrens zur gemeinsamen Entscheidung mit einem anderen Verfahren und betreffend die Anhörungsrüge gegen die Ablehnung des Befangenheitsantrags sind nicht Gegenstand des angefochtenen Urteils und können daher nicht Gegenstand dieser Nichtzulassungsbeschwerde sein (§ 132 Abs. 1, § 133 Abs. 1 VwGO).
9 Soweit der Kläger schließlich das fehlerhafte Datum einer im Protokoll der mündlichen Verhandlung bezeichneten Ladung rügt, betrifft diese Ladung ein anderes Verfahren und einen anderen Beteiligten.
10 2. Die Revision ist nicht wegen der vom Kläger geltend gemachten Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
11 Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das bloße Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung solcher Rechtssätze genügt den Darlegungsanforderungen an eine Divergenzrüge nicht (BVerwG, Beschlüsse vom 10. August 2023 - 8 B 24.23 - juris Rn. 7 m. w. N. und vom 26. Juli 2024 - 8 B 69.23 - juris Rn. 8 m. w. N.).
12 Diesen Anforderungen wird die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerecht. Der Kläger weist zwar wiederholt auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2021 - 9 B 48.20 - hin und moniert, diese Entscheidung sei nicht beachtet worden. Er benennt insoweit jedoch keinen abstrakten Rechtssatz und verkennt, dass diese Entscheidung die Einsichtnahme in die Akten des Verfahrens selbst betraf, während hier die Beiziehung von Akten eines anderen als des vorliegenden Verfahrens begehrt wird.
13 3. Schließlich ist die Revision nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
14 Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2024 - 8 B 7.24 - juris Rn. 2). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
15
Die vom Kläger sinngemäß gestellte Frage,
ob es sich bei der Bestimmung eines Sachverständigen in einem behördlich geleiteten Verfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz um einen selbstständig angreifbaren Verwaltungsakt handelt,
bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie ist anhand des Gesetzes unter Berücksichtigung der anerkannten Auslegungsregeln und der vorhandenen Rechtsprechung auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens ohne Weiteres zu verneinen.
16 Gemäß § 44a VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass behördliche Verfahrenshandlung in diesem Sinne jede behördliche Maßnahme ist, die - wie hier die Beauftragung des Sachverständigen mit der Wertermittlung in einem Bodenordnungsverfahren - im Zusammenhang mit einem schon begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren steht und die der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung dient. Ebenso ist in der Rechtsprechung geklärt, dass - neben den hier ersichtlich nicht in Betracht kommenden Ausnahmen des § 44a Satz 2 VwGO - im Einzelfall von der Anwendung des § 44a Satz 1 VwGO abzusehen ist, wenn die vorbereitende Handlung bzw. ihre Unterlassung einen rechtlichen Nachteil zur Folge hat, der sich in einem die abschließende Entscheidung betreffenden Verfahren nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr vollständig beheben lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. September 2016 - 2 C 16.15 - NVwZ 2017, 489 Rn. 25). Weitergehenden abstrakten Klärungsbedarf legt der Kläger insoweit nicht dar. Die vom Kläger gegen die Subsumtion des Oberverwaltungsgerichts unter diesem Maßstab vorgebrachten Argumente führen nicht auf einen grundsätzlichen Klärungsbedarf. Der Hinweis, die Auswahl des Sachverständigen könne einen Einfluss auf die spätere Verfahrensführung haben, bezeichnet wegen der prozessualen Möglichkeit, etwa unzureichende Begutachtungen zu rügen und weitere Aufklärung zu verlangen, keinen nicht mehr behebbaren rechtlichen Nachteil. Ob der beauftragte Sachverständige, wie der Kläger meint, vom Bodenordnungsverfahren betroffene Grundstücke jederzeit betreten darf, ist von der Auswahl des Sachverständigen unabhängig.
17 Die weitere vom Kläger aufgeworfene Frage zur Möglichkeit, Anhörungsrüge gegen Entscheidungen des Flurbereinigungsgerichts zu erheben, betrifft, wie oben ausgeführt (siehe oben Rn. 8), nicht den Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde.
18 Schließlich rechtfertigt die vom Kläger der Sache nach aufgeworfene Frage zu den Maßstäben der Erhebung von Pauschgebühren im Bodenordnungsverfahren nicht die Zulassung der Revision. Zwar spricht insoweit viel dafür, dass die Erhebung einer Pauschgebühr gemäß § 63 LwAnpG i. V. m. § 147 FlurbG neben den allgemeinen Gerichtsgebühren der Begründung bedarf. Eine Zulassung der Revision scheidet jedoch wegen § 158 Abs. 1 VwGO aus. Danach ist die isolierte Anfechtung der Entscheidung über die Kosten ausgeschlossen. Ist eine auf die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts beschränkte Revision unzulässig, gilt das gleiche für das Begehren auf Zulassung der Revision. Dem steht nicht entgegen, dass hier auch gegen die Entscheidung in der Hauptsache Zulassungsgründe geltend gemacht werden. Da diese - wie dargelegt - nicht begründet sind, bliebe die Revision - wäre sie hinsichtlich der Pauschgebühren wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen - auf die Kostenentscheidung beschränkt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. Februar 1995 - 6 B 65.95 - NVwZ-RR 1996, 505 <507> und vom 29. Juli 2009 - 5 B 46.09 - juris Rn. 5).
19 Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
20 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.